Einfahren und Aktivieren des Biofilters
Das Problem
Bei Biofiltern in der Aquaponik hat man ein prinzipielles Problem: Setzt man Fische in ein neues System, existieren dort noch keine Bakterienteppiche auf dem Substrat welcher das Wasser von Ammoniak reinigen können. Ohne diese Reinigung vergiften sich die Fische nach einer Weile selbst. Ohne Fische bilden sich aber auch keine Bakterien, da diese im sauberen Wasser keine Nahrung (Ammoniak) finden.
Die Lösung
Bevor Fische in das System eingesetzt werden, gibt man kontrolliert Ammoniak dazu. Dazu genügt:
- Teststreifen für den pH-Wert (Bezug aus dem Bereich Aquarienhandlung)
- Test für Ammoniakgehalt des Wassers (Bezug aus dem Bereich Aquarienhandlung)
- Ammoniaklösung (Apotheke)
- Essig falls das Wasser zu basisch wird (Supermarkt)
Zu Ammonik: Bitte tragen Sie unbedingt Schutzhandschuhe, Atemschutz und Schutzbrille bei der Anwendung.
Träger für Biofilter
Die meisten Biofilter verwenden Medien wie Sand, Schotter, Flusskies oder eine Form von Kunststoff- oder Keramikmaterial in Form von kleinen Perlen und Ringen.
Beim Betrieb eines Biofilters liegt ein Hauptproblem darin, eine stellenweise Austrocknung oder Vernässung des Filtermaterials zu verhindern und dadurch ein gleichmäßiges Durchströmen des Filterbettes zu ermöglichen. Dies lässt sich vor allem durch die Kapselung der Biofilter erreichen. Nachteilig ist oftmals der große Platzbedarf dieser Anlagen, die kostenintensive Ventilatorenergie zur Druckerhöhung und die dauerhafte Bewässerung. Im Vergleich zu anderen Verfahren, wie der Ionisation mit Ionisationsröhren, ist das konstante biologische Reinigungsverfahren oftmals durch CO2-Einsparungen und zahlreiche ökonomische Aspekte, wie mittlere Anschaffungskosten, langjährige Filterstandzeiten und mittlere Betriebskosten, von Vorteil.
Kommerziellle Biofilter Medien (SSA: Specific Surface Area): (A) K1, K3, (B) Atlantic Bio-Balls, (C) Honeycomb Bio-Balls, und (D) MB3 Media.
Vorgehen (nach Bernstein, 2011)
- Das System bepflanzen.
- Ammoniak zugeben bis 2-4 ppm erreicht sind. Die gebrauchte Menge notieren. Bei einem Tank mit ca. 600 l braucht man etwa 75ml 25%iger Ammoniaklösung.
- Diese Menge gibt man täglich zu, bis mindestens 0,5 ppm Nitrit im Wasser messbar sind. Falls der Ammoniakpegel gegen 8 ppm geht, wartet man so lange mit weiteren Ammoniakgaben, bis er wieder auf 2-4 ppm zurück geht. Da der Anstieg recht schnell gehen kann, ist eine höhere Dosierung nicht ratsam.
- Sobald das Nitrit im Nachweis erscheint, werden die Ammoniakgaben halbiert. Falls der Nitritpegel über 5 ppm geht sollten die Zugaben an Ammoniak ganz aufhören bis der Pegel auf 2 ppm fällt.
- Sobald das Nitrat 5-10 ppm erreicht wartet man bis Nitrit- und Ammoniakpegel wieder auf Null sind. Dann kann man Fische einsetzen.
- Der pH-Wert sollte bei 6,8 bis 7,0 liegen. Ist der Wert zu basisch (Basich = Richtung pH 14) kann vorsichtig mit Essig korrigieren. Ist der Wert zu niedrig (Sauer = Richtung pH 1) kann mit Calciumcarbonat/Soda korrigiert werden - natürlich bevor die Fische eingesetzt werden. Bedenken Sie dabei, daß der EC-Wert auf Grund der zusätzlich gelösten Salze steigt.
Was passiert dabei im Biofilter?
Durch die Zugabe von Ammoniak finden Bakterien Nahrung, die Ammoniak in Nitrit umsetzen. Dieses Nitrit dient dann wieder anderen Mikroorganismen als Energiequelle. Bei der Oxidation von Nitrit (NO2) entsteht Nitrat (NO3). Dieser Prozess ist der zweite Schritt in der Nitrifikation von Ammoniak (NH3) zu Nitrat. Das Nitrat dient den Pflanzen dann als Dünger.
Der Nitrifikationsprozess in der Aquaponik
Ammoniak ⇒ Nitrit ⇒ Nitrat
Die nitrifizierenden Bakterien spielen eine wichtige Rolle in einem Aquaponik-System. Sie wandeln Fischabfälle um, so dass Ammoniak als Nitrat in das System gelangt. Die Nitrifikation in der Aquaponik ist ein zweistufiger Prozess und umfasst zwei nitrifizierende Bakterien:
1. Umwandlung von Ammoniak in Nitrite: Dies wird von den Nitrosomonas durchgeführt, wenn es zu einer Überlastung von Abfällen kommt produziert es überschüssiges Ammoniak. Der Ammoniak muss entfernt werden um die Fische nicht zu schädigen. Die Nitrosomonas-Bakterien wandeln dann das Ammoniak in Nitrite um.
2. Umwandlung von Nitrit in Nitrat: Dies wird von Bakterien der Klasse Nitrobacter durchgeführt. Nitrobacter-Bakterien ernähren sich von Nitriten. Die Nitrite werden in Nitrate umgewandelt. Übermäßige Nitritmengen können die Fische töten. Um die Fische und Pflanzen gesund zu halten müssen Nitrite in Nitrate umgewandelt werden.
Nitrifizierende Bakterien vermehren sich langsam und bilden Kolonien; Es kann Tage dauern, Wochen, oder sogar Monate. Nitrifizierende Bakterien benötigen einen dunklen Standort, gute Wasserqualität, und ausreichend Nahrung und Sauerstoff, um zu siedeln. Es gibt fünf Schlüsselparameter, um nitrifizierende Bakterien zu unterstützen. Wenn diese Parameter eingehalten werden, ist davon auszugehen das die Bakterien vorhanden sind.
1. Große Oberfläche
Die Biofiltration mit einer hohen spezifischen Oberfläche ist wichtig, um ausgedehnte Kolonien nitrifizierender Bakterien zu entwickeln. Es gibt viele Materialien, die in der Aquaponik verwendet werden können, entweder als Nährboden oder für die Biofiltration. Vulkanischer Kies, Blähtonkiesel, handelsübliche Biofilterkugeln aus Kunststoff und nicht zuletzt Pflanzenwurzeln fungieren als Oberfläche für Bakterien auf denen sie siedeln können. Je kleiner und poröser die Partikel sind, je größer die für Bakterien zur Verfügung stehende Oberfläche, um sich anzusiedeln, was wiederum zu einer effizienteren Biofiltration führt.
2. Wasser-pH-Wert
Nitrifizierende Bakterien funktionieren richtig, wenn der pH-Wert zwischen 6 und 8,5 liegt. Der ideale pH-Wert in der Aquaponik beträgt normalerweise 6-7, Dies ist ein Kompromiss zwischen allen Organismen im System.
3. Wassertemperatur
Der ideale Temperaturbereich für die Bakterien liegt zwischen 17° Celsius bis zu 34° Celsius (~ 63 °Fahrenheit - 93 °Fahrenheit). Dieser Bereich fördert das Wachstum und die Produktivität von Bakterien. Sinkt die Wassertemperatur unter diesen Bereich verringert dies die Produktivität der Bakterien. Steigt er weit darüber, also über 42 °Celsius, sterben die Bakterien.
4. Gelöster Sauerstoff
Nitrifizierende Bakterien benötigen einen ausreichenden Gehalt an gelöstem Sauerstoff im Wasser, um zu wachsen und die Produktivität zu erhalten die benötigt wird. Der optimale Gehalt an gelöstem Sauerstoff beträgt über 7 ppm, Nitrifikation findet nicht statt wenn die Konzentration des gelösten Sauerstoffs unter 7,0 ppm sinkt. Sie können eine ausreichende Biofiltration und gelösten Sauerstoff sicherstellen indem Sie eine Belüftung (Verwirbelung) hinzufügen oder etwa Luftsteine. Auch durch Flut-und-Ebbezyklen kann der Sauerstoffgehalt gesteigert werden.
5. Kein UV-Licht
Nitrifizierende Bakterien sind lichtempfindlich, bis sie sich vollständig etabliert haben. Sonnenlicht kann den Biofilter beschädigen. Medienbetten schützen die Bakterien vor Sonnenlicht. Wenn Sie einen Biofilter verwenden, Schützen Sie ihn unbedingt vor direkter Sonneneinstrahlung und zu großer Hitze.
Unerwünschte Bakterien
Nitrifizierende und mineralisierende Bakterien sind wichtig und nützlich für die Aquaponik aber es gibt einige Arten von Bakterien, die für ein Aquaponik-System schädlich sind, diese sind unter anderem:
1. Sulfatreduzierende Bakterien
Diese Bakterien werden oft unter anaeroben Bedingungen gefunden und riechen nach faulen Eiern. Diese Bakterien haben eine grau-schwarze Farbe und wachsen nur unter anoxischen Bedingungen. Es ist wichtig für eine ausreichende Belüftung zu sorgen und die mechanische Filterung zu erhöhen, um die Ansammlung dieser Bakterien zu verhindern.
2. Denitrifizierende Bakterien
Diese Bakterien gedeihen auch unter anaeroben Bedingungen und sind für die Denitrifikation verantwortlich. Sie wandeln Nitrite wieder in atmosphärischen Stickstoff um der für Pflanzen nicht verfügbar ist. Diese Bakterien können die Effizienz verringern, indem sie den Stickstoffdünger entfernen.
3. Pathogene Bakterien
Diese Bakterien können bei Pflanzen Krankheiten für Fisch und Mensch verursachen. Es ist wichtig gute Praktiken zu haben (CMMI) um das Risiko von Krankheiten in einem Aquaponik-System zu minimieren. Sie können das Eindringen von Krankheitserregern in das System verhindern, indem Sie alle anderen Tiere ((Haustiere, Nutztiere, etc.) von Ihrem System fernhalten. Wenn Sie Ihr Aquaponik-System in einem geschlossenen Gewächshaus aufstellen, können Sie auch verhindern, dass pathogene Bakterien in Ihr System gelangen.
Systemzyklus und Erstellen einer Biofilterkolonie
"Systemcycling" in der Aquaponik bezieht sich auf die Bildung einer gesunden Bakterienkolonie, wenn Sie Ihr neues Aquaponik-System starten. Der Prozess findet statt sobald ein neues Aquaponik-System gebaut ist und dauert normalerweise 4 Wochen bis zu zwei Jahren - je nach Umfang der Anlage und vielen weiteren Faktoren. Der Prozess beinhaltet das Einbringen einer Ammoniak-Quelle (normalerweise Fische) in ein neues Aquaponik-System, Füttern der neuen Bakterienkolonie und Aufbau des Biofilters (durch die Bakterien selbst). Der Fortschritt wird durch Überwachung des Stickstoffgehalts gemessen.
Ohne Bakterien findet der Stickstoffkreislauf nicht statt. Der Stickstoffkreislauf wandelt das Ammoniak aus Fischabfällen in Dünger für Pflanzen um. Der Stickstoffkreislauf findet nur statt, wenn nitrifizierenden Bakterien vorhanden sind. Damit dies stattfinden kann, muss Ammoniak dem System hinzugefügt werden. Dieses Ammoniak kann mit den Fischen oder mit Wasser aus einem anderen Aquaponik-System hinzugefügt werden, in dem die Bakterienkolonie bereits etabliert sind. Wenn mehr Ammoniak hinzugefügt wird, werden mehr Bakterien produziert, wodurch das System effizienter arbeitet. Sobald sich Ammoniak-Umwandelnde Bakterien etabliert haben produzieren sie Nitrite, die es den Bakterien ermöglichen die Nitrite zu verwenden und Nitrate daraus zu produzieren. Ein System ist vollständig etabliert (eingefahren) sobald Ammoniak, Nitrite und Nitrate durch Tests messbar sind.
Dieses Verfahren wird häufig in neuen Aquaponiksystemen verwendet, da es ohne Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Fische durchgeführt werden kann. Um mit dem System zu beginnen, müssen Sie Ammoniak in das System einführen.
Der Prozess ist einfach; Nachdem das System eingerichtet ist, beginnen Sie mit der Zugabe der Ammoniaklösung zum Wasser. Ist das System (Tank, Pumpen, etc.) einmal vollständig umgewälzt worden, sollten Sie mindestens einen Wert von 0,2 ppm erreicht haben.
Möglichkeiten zur Reduzierung der Systemzykluszeit
Der Systemzyklus ist ein sehr langsamer Prozess. Je nach Anlagengröße und Typ kann der Prozess bis zu 18 Monate dauern. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten das System schneller einzurichten. Eine Methode besteht darin, Wasser aus einem anderen Aquaponik-System zu verwenden, in dem die Bakterienkolonie bereits etabliert sind. Es ist hilfreich einen Teil des Biofilters als Bakterien-Stamm an ein neues Aquaponik-System weiterzugeben. Dies verringert die Zeit die zum Durchlaufen des Systems erforderlich ist. Einige Anwender ziehen es vor ein wenig Harnstoff oder einen toten Fisch in den Tank zu geben um den Zersetzungsprozess zu starten. Achten Sie aber auf die Bildung pathogener Bakterien - diese müssen Sie vermeiden. Haushalts-Ammoniak kann auch verwendet werden. Stellen Sie jedoch sicher, dass das Produkt zu 100 Prozent aus Ammoniak besteht und keine anderen Inhaltsstoffe wie Reinigungsmittel oder Schwermetalle enthält, die das gesamte System beschädigen könnten.
Sobald die Ammoniak- und Nitritwerte unter 1 ppm liegen können Sie dem System Pflanzen und Fische hinzufügen. Fangen Sie mit wenigen Fischen an und überwachen Sie genau den Stickstoffgehalt. Seien Sie auf einen Wasseraustausch vorbereitet wenn der Ammoniak- oder Nitritgehalt über 1 ppm steigt, während das System weiter läuft.
Bakterien sind in einem Aquaponik-System genauso wichtig wie die Fische und die Pflanzen.
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